„Frauen haben kein Herz und kein Verstand. Frauen sind Scheisse auf zwei Kackstelzen.“ Dieses frauenfeindliche Zitat hat ein Unbekannter mit schwarzem Edding auf einem grauen Stromkasten am Sedanplatz hinterlassen. „Der hat bestimmt Liebeskummer gehabt, könnte ich mir vorstellen“ – so kommentiert der Wiesbadener Künstler Yorkar die Schmiererei. Hinnehmen solle man so etwas trotzdem nicht. Der 39-Jährige hat sich vorgenommen, menschenverachtende Parolen wie diese mithilfe einer Kunstaktion aus dem Viertel zu verbannen.
Die neue Kulturwerkstatt – Verein „Godot “ will in der Westendstraße künstlerische Bildung fördern
Florence Foster Jenkins war der Name einer amerikanischen Amateur-Sängerin, die im 19. Jahrhundert dafür bekannt war, leidenschaftlich gerne zu singen – auch wenn sie nie einen Ton traf. Den gleichen Namen trägt seit knapp einem Jahr auch ein Singkreis, der nun Teil des neuen Vereins „Godot – Die Kulturwerkstatt“ ist: Anfang April hat sich der Verein in der Westendstraße 23 niedergelassen, wo sich der Singkreis jeden Dienstagabend trifft. „Wir alle singen gerne, obwohl wir der Meinung sind, dass wir eigentlich nicht gut singen können. So entstand der Name unseres Singkreises“, sagt Beatrice Fischer lachend.

Florence Foster Jenkins war der Name einer Sängerin, die zwar leidenschaftlich gerne sang, aber nie einen Ton traf. Genauso nennt sich nun der Singkreis des neu gegründeten Vereins „Godot – Die Kulturwerkstatt“.
Abschied nach 50 Jahren: Bildermacher Reinhard Spiegel schließt Atelier in Wiesbaden
Junge Menschen der Generation Instagram müssen Reinhard Spiegel für verrückt halten: Nicht weniger als 24 Stunden reine Arbeitszeit benötigt der 73-Jährige, um aus einem Foto-Negativ eine Druckgrafik zu machen. Für sein Meisterwerk – ein 50 mal 60 Zentimeter großes Bild eines schiefen, dunklen Baumes im Taunus – hat er sogar sechs Tage gebraucht. Fünf Tage Arbeit verwarf er immer und immer wieder, weil er mit dem Resultat noch nicht zufrieden war – bis es am sechsten Tag endlich fertig war. „Nach dem ersten Andruck wurde deutlich – jetzt war es perfekt. Diesen Moment kannst du einfach nicht kaufen“, sagt er. Allein das Motiv habe er 30 bis 40 Mal aufnehmen müssen.

Nach 50 Jahren ist Schluss: Bildermacher Reinhard Spiegel geht in den Ruhestand. Er ist einer der letzten Menschen in Deutschland, die die Heliogravüre-Technik beherrschen. Hier sieht man ihn in seinem Atelier in der Westendstraße 23.
Abschied nach 50 Jahren
Reinhard Spiegel bezeichnet sich selbst als Bildermacher. Den Begriff „Künstler“ empfindet er als „verschlissen“. Zudem erfordert sein Beruf auch ein großes Maß an handwerklichem Geschick. Gut 50 Jahre lang hat er ihn ausgeübt, der sogenannten „Heliogravüre“, einem fast 150 Jahre alten fotografischen Edeldruckverfahren, widmet er sich seit 20 Jahren. Nun zwingt ihn unter anderem die fortschreitende Digitalisierung in den Ruhestand: Er muss sein Künstleratelier in der Westendstraße 23 aufgrund mangelnder Nachfrage schließen. Sein Abschied am 31. Januar 2018 ist nicht nur ein herber Verlust für Wiesbaden und die Region: Gerade einmal eine Handvoll Menschen sind laut Spiegel bundesweit mit der Technik der Heliogravüre vertraut.
Doch was hat es mit dieser Technik auf sich? Reinhard Spiegel geht raus in die Natur, nimmt Fotos mit einer analogen Kamera auf und ätzt das Motiv mittels komplexer, chemischer Verfahren in eine Kupferplatte. Anschließend wird die jetzt fertige Platte mit Farbe in der Kupferdruckpresse auf ein feuchtes Papier gedruckt – der erste verbindliche Abzug der Heliogravüre. Aus der Sicht eines Laien unterscheidet sie sich auf den ersten Blick kaum von einer klassischen Schwarzweiß-Fotografie. Schaut man sich jedoch mit einer Lupe die Beschaffenheit der Linien ganz genau an, so erinnert das „Foto“ im Detail eher an eine Tuschezeichnung.
Bäume ideal für Heliogravüre
„Meine Lieblingsmotive sind in der Natur direkt vor der Haustür. Ich muss nicht zum Grand Canyon fahren, um Steine zu fotografieren“, so Spiegel. „Außerdem haben das schon Hunderte andere gemacht, da muss ich das nicht auch noch machen.“ Organische Formen, wie etwa die von Bäumen oder Gemüse, seien besonders prädestiniert für die Heliogravüre. Jeder digitale Drucker druckt in winzig kleinen Rastern. Bei der Heliogravüre ersetzt feinster angeschmolzener Asphaltstaub die Rasterfolie.
Sein Handwerk stammt noch aus einer Zeit, in der bunte Tapeten und altbackene Familienfotos allmählich von den Wänden deutscher Wohnzimmer verschwanden. Kahle, weiße Wände wollten geschmückt werden. „Die Nachfrage nach Bildern war damals riesig“, sagt er. In den letzten Jahrzehnten hat sie allerdings kontinuierlich abgenommen. Smartphones, Digicams und Drucker sei Dank. „Reich wird man damit sowieso nicht“, sagt Spiegel, „sofern ich etwas Geld verdient hatte, habe ich es immer wieder in bessere Ausrüstung investiert.“
„Ich hätte es gerne bis zu meinem 80. Lebensjahr weitergemacht“
Reinhard Spiegel war Seemann, Busfahrer, machte sein Staatsexamen am Pädagogischen Fachinstitut in Wiesbaden und arbeitete schließlich 50 Jahre als Bildermacher. Motive in akribischer Handarbeit an die Wand zu bringen, hat über mehrere Jahrzehnte seinen Lebensalltag bestimmt. Nun also der Abschied. „Ich hätte es gerne bis zu meinem 80. Lebensjahr weitergemacht“, sagt er.
Der 73-Jährige blickt dennoch positiv auf seinen Lebensweg zurück. „Bilder zu machen ist eben mehr als bloßes Knöpfchendrücken“, sagt er. „Das ist eine wichtige Erkenntnis.“ Im November und Dezember wird Reinhard Spiegel in seinem Atelier noch einmal Ausstellungen veranstalten, um seinen Abschied zu zelebrieren und sein Inventar nach Möglichkeit weiterzuverkaufen.

Heliogravüre von Reinhard Spiegel.
Ausstellungen und Buch zum Abschied
Im „Ruhestand“ wird er eine digitale Galerie im Internet aufmachen und dort seine Grafiken verkaufen. Darüber hinaus erscheint im Herbst noch ein Buch in einer 200er Auflage für 120 Euro das Exemplar über sein Schaffen inklusive einer Vielzahl seiner Werke. Veröffentlicht wird es unter dem Titel „Reinhard Spiegel‘s Art of Heliogravure“ – mit einem Originaldruck vom Meister dieser Kunstart.
Vom 17. bis 19. November findet eine Ausstellung (mit Musik bei der Eröffnung) im Atelier von Reinhard Spiegel in der Westendstraße 23 statt. Beginn am 17. November um 18 Uhr, Samstag Offenes Atelier 12 bis 18 Uhr , Sonntag ist Drucktag 12 bis 17 Uhr. Am Samstag, 16. Dezember, Offenes Atelier von 12 bis 18 Uhr. Internet: www.atelier-spiegel.de Continue reading
„Die Räume sind wie ein Tagebuch“ – Die Atelieretage Westend im Wiesbadener Georg-Buch-Haus
Wie auf einer beleuchteten Bühne stehen die Künstler in ihren Werkstätten, wenn es draußen dunkel wird. Durch die großen bodentiefen Bogenfenster im Erdgeschoss des denkmalgeschützten Georg-Buch-Hauses sehen die Passanten jeden Pinselstrich. Das war auch die Grundidee der Atelieretage Westend in der Walramstraße 16a. Ganz nah an den Menschen vor Ort. Mit dem Viertel. Für das Viertel.

Künstler-Quartett (von links): Nicole Fehling, Emad Korkis, Rita Marsmann und Christiane Mader sind in der Atelieretage kreativ.
Vier ganz individuelle Persönlichkeiten haben hier ihren Platz zum Arbeiten, Schaffen und Kreativ-Sein gefunden. „Ein echter Glücksfall“, sagt Rita Marsmann, denn geeignete Räume für Kunstschaffende seien selten in der Stadt, „oft sind sie heruntergekommen und völlig überteuert“. Marsmann selbst ist Diplom-Designerin. Auf ihre Initiative hin ist die Atelieretage Westend vor vier Jahren entstanden. Mit Kommunikationsdesignerin und Künstlerin Nicole Fehling, Fotografin und Künstlerin Christiane Mader und Maler Emad Korkis ist das Kreativ-Quartett komplett.
Jedes Atelier eine bunte Welt
So unterschiedlich wie ihre Kunst sind auch die jeweiligen Ateliers. Fehlings bevorzugtes Arbeitsmaterial ist Papier. In ihrem Atelier entstehen aus dem Material unterschiedlichste Formen und Objekte. Korkis hat sich der Malerei verschrieben. Im Atelier von Marsmann entstehen Bilder in den unterschiedlichsten Techniken, eine _Facette ihrer Arbeit ist die poetische Fotografie. In den Werken von Christiane Mader trifft Fotografie auf glitzernde Rettungsdecken. Dabei entstehen unter anderem farbenfrohe Bilder, aktuell zum Thema Sport. Jedes Atelier für sich ist eine kleine, bunte Welt, mit ganz eigenem Charakter, eigenen Gerüchen, individueller Einrichtung. „Die Räume sind wie ein Tagebuch“, sagt Marsmann. Hier kehren sie ihr Inneres nach außen, geben viel von ihrer Gefühlswelt preis.
Keine „Erb-Stücke“ mehr: Gabriele Erb gibt Laden in der Bülowstraße auf – Reduzierte „Aufräumpreise“
Gabriele Erb verlässt das Westend – und mit ihr geht dem Viertel eine der echten kreativen Anlaufstellen verloren. Seit 2010 schafft Erb im Atelier in der Bülowstraße 1 unter dem Motto „Keramik & mehr“ allerlei Dekoratives aus Ton. Bunte, verzierte und schlichte Artikel zum Schmücken für die Wohnung und Garten, die aber auch zum Beispiel als Gewürzschalen und Windlichter genutzt werden können. Fast alle Artikel sind Einzelstücke, mit Liebe zum Detail und Fingerfertigkeit hergestellt.
Spätestens Ende März kehrt die 53-Jährige wieder in ihre Heimat Ravensburg zurück, daher bietet sie zurzeit mindestens zehn Prozent Rabatt auf ihre Artikel an. „Es fällt mir sehr schwer, mein Herz hängt an diesem Ort“, sagt sie. „Aber meine gesundheitlich angeschlagene Mutter braucht mich.“

Gabriele Erb (links) in ihrem Element: Sie gab in ihrer Werkstatt „Erb-Stücke“ in der Bülowstraße 1 auch Töpferkurse und schuf viele Einzelstücke. Ende März verlässt Erb das Westend.
Georgischer Wein trifft auf Kunst – die „ARTbar“ in der Blücherstraße
Zwei Fragen bekommt Polina Baymakova-Koch immer wieder gestellt, wenn sie neuen Menschen begegnet: „Ob ich aus Georgien komme und ob ich sie noch alle beisammen habe.“ Denn vor einem halben Jahr hat die Fotografin ihr Atelier in der Blücherstraße 23 spontan in eine „Artbar“ umgewandelt. Hier trifft Kunst auf Wein, mit der Besonderheit, dass die frisch gebackene Gastronomin georgische Weine ausschenkt. Warum ausgerechnet Weine aus Georgien, wollen viele wissen – denn schließlich ist der Rheingau mit einer Vielzahl heimischer Weine direkt vor der Haustür.
„Ich habe die Zeiten der Sowjetunion in meiner alten Heimat noch hautnah erlebt. Georgische Weine waren damals wie heute in Russland weit verbreitet und durften auf keiner Feier fehlen.“ Vor elf Jahren kehrte die gebürtige Russin ihrer Heimat den Rücken. Sie kam zum Studieren nach Deutschland, fand hier ihre große Liebe und blieb.
- Gelungene Kombination: In der „Artbar“ können Gäste bei einem Glas georgischen Weins entspannen und Kunst genießen.
- Georgische Weine und mehr in der „ARTbar“.
In Georgien wachsen 500 Rebsorten
Mit ihrer Weinauswahl brachte Baymakova-Koch ein Stück Heimat ins Westend. Sie war sich sicher, sie könnte mit dem Rebensaft der ehemaligen Sowjetrepublik Georgien auch die Wiesbadener überzeugen. Über 50 georgische und armenische Weine hat sie im Angebot. „Es fasziniert mich, dass in einem so kleinen Land wie Georgien 500 Rebsorten wachsen“, sagt Baymakova-Koch und ergänzt: „Es ist gerade mal so groß wie Bayern.“ Sie selbst war noch nie dort, doch möchte es im nächsten Jahr unbedingt nachholen.
Die Weinauswahl wird durch neun russische Biersorten der Marke „Baltika“ ergänzt. „Diese Biere gibt es in Russland an jeder Ecke. Ich kenne sie noch aus den Anfängen meiner Studentenzeit sehr gut“, sagt Baymakova-Koch lachend. Ein Schluck Nostalgie im Westend.
Für Shootings wird schnell umgeräumt
Die kleine Bar erstreckt sich auf zwei Räume. Viele gemütliche Sitzecken und liebevolle Deko-Elemente laden zum Verweilen ein. Manche erinnere der Ort an ein kleines Pariser Café, andere erkennen darin Kreuzberger Großstadtbars wieder. Ihr Fotostudio hat Baymakova-Koch dafür jedoch keinesfalls aufgegeben. Vielmehr hat sie es in die Weinbar integriert. Für Fotoshootings wird dann eben mal schnell umgeräumt.
- Fotografin und Inhaberin der „ARTbar“: Polina Baymakova-Koch.
- Gemütliche Ecke in der „ARTbar“.
Überhaupt sei die Artbar ein sehr dynamisches Gebilde. „Ich habe einen Deko-Fimmel. Deshalb muss ich ständig alles verändern, verrücke die Möbel, füge neue Elemente hinzu und nehme dafür andere raus“, schildert Baymakova-Koch ihren bunten Alltag. Ihre Stammgäste seien jedes Mal überrascht, weil es hier immer anders aussehe. Zum Glück sei der Keller so groß, „da passt der ganze Krempel noch rein“, scherzt sie.
Für Vielfalt sorgen auch die wechselnden Fotoausstellungen, wie jüngst Baymakova-Kochs Schwarz-Weiß-Fotografien unter dem Titel „Unverblümt“. Zuvor war in ihrem Atelier die Serie „We stand for Westend“ ausgestellt, die unterschiedliche Frauen aus dem Westend porträtierte und auch in dieser Zeitung zu sehen war.
Schauplatz für Pro7-Show „Deutschland tanzt“
Musik ergänzt das Konzept der Artbar. Hin und wieder erklingen hier Wohnzimmerkonzerte. Und von der besonderen Atmosphäre ist sogar Pro7 überzeugt. Der Fernsehsender wählte die Bar als Schauplatz für Liveübertragungen sowie Punkteverkündungen von Hessens Publikum für die neue Show „Deutschland tanzt“, in der aus 16 deutschen Promis der Tanzkönig gekürt wird. Am 12. November geht es los.
Facebook: www.facebook.com/weinbarfotokunstgalerie
Text: Liudmila Shkirtovskaya
Fotos: Shkirtovskaya, Baymakova-Koch, fotolia – gunterkremer
Wiesbaden Biennale: Installation „Sperr“ auf dem Faulbrunnenplatz irritiert
Nie war die Frage, „Ist das Kunst, oder kann das weg?“ so treffend gestellt, wie angesichts der Installation auf dem Faulbrunnenplatz. Alte Tische und Stühle, Schemel und Sofateile, Bretter und abgelegte Bastelarbeit – eine Aufgabe für die Entsorgungswerke. Manch einer wollte sich am Eröffnungstag zum Start des Theaterfestivals Biennale schon selbst bedienen: Die weiße Garderobe mittendrin im Sperrmüll wäre doch noch brauchbar! Zu Hause! Da waren die beiden Gestalten hinter ihrer Maske noch nicht so sehr sichtbar geworden.
Zwei Menschen nämlich sitzen mittendrin in der Installation und machen wie bewegungslose Puppen darauf aufmerksam, dass es sich hier doch um etwas Besonderes handeln muss. Sie tragen ein „E“ und „I“ aus Pappe. Ist das Kunst?

„Wirklichkeit“ steht in großen Buchstaben auf der Sperrmüll-Sammlung auf dem Faulbrunnenplatz: eine Installation des Schweizers Thomas Hirschhorn im Rahmen des Theaterfestivals der Biennale. Nicht von allen wird sie als ein Kunstwerk erkannt. Foto: wita/Paul Müller
Zwei Menschen mit Maske inmitten des Trödels
Thomas Hischhorn aus der Schweiz hat den Müll jedenfalls absichtsvoll am Faulbrunnenplatz arrangiert. Das Ausrangierte soll die zehn Festivaltage hindurch bleibendes Zeugnis alltäglicher Hinterlassenschaften zu sehen sein. Die Personen, die da insgesamt 264 Stunden lang ununterbrochen sitzen, wechseln alle zwei Stunden. Diese Zeit als lebendes Monument ist auch lang genug. Vor allem nachts, wenn weniger Busse am Verkehrsknotenpunkt halten, kaum noch Leute unterwegs sind. Tags über kann da schon mal mit den ausgelegten Blumen gespielt werden. Und die sind künstlich. Und Teil des temporären Kunstwerks „Sperr“.
Die meisten Passanten, Personen, die über die Schwalbacher Straße hinweg in die Innenstadt wollen und Fahrgäste für die vielen Eswe-Linien am Platz, laufen wenig beeindruckt an der Sperrmüll-Lagerstätte vorbei. Die, die im Viertel wohnen, haben sich nach erster Irritation schon eher angefreundet: den Begriff entziffert und geschmunzelt. Kunden der Volksbank im dahinterliegenden Gebäude und Patienten der Diabetes-Praxis sind verwundert, haben aber ein Gesprächsthema. „Gut, zu wissen: ,Das ist Kunst‘“.

„Für meine Arbeit in Wiesbaden verwende ich Materialien und Gegenstände, die alle kennen und benutzen“, sagt Künstler Thomas Hirschhorn. Dazu sind auch zwei maskierte Menschen (rechts), die stumm zwischen den Gegenständen sitzen, ein Teil des Projekts, denn auch der Mensch gehöre zum Alltag.
Waschmaschine ohne Rücken, Truhe mit Holzwurm
Im Faulbrunnenplatz-Fall gehören dazu Waschmaschine ohne Rücken, ein vergammelter Backofen mit Kissen, Geschirrabtropfer, ein altes Gemälde, eine Truhe mit Holzwurm und – wie schön, jedenfalls zu Anfang – ein Luftballon. Mit seiner Hilfe wird die Sperrmüll-Präsentation leicht, luftig und kann lächeln. Der ausgedienten Matratze und dem Sortiment an Flaschen (leere) hilft das weniger als vielleicht dem großen Teddy und den Büchern auf dem Bord rund um die Haltestelle an Bussteig B. Wo bis vor Kurzem ein Shuttle des Rheingau-Musik-Festivals Gäste aufnahm, heißt es jetzt: „Brauchst du einen Herd? Hier ist noch einer …”. Oder auch: „Können wir noch was dazustellen?” Und was wäre der Müllsack dann? Ein Teil des Kunstwerks und könnte trotzdem weg? Wie wohl sämtliche Teile nach dem letzten Festivaltag.
Text: Viola Bolduan
Hitzige Debatte um 20 Zentimeter
.Zu einer hitzigen Debatte kam es am Dienstag zwischen dem Künstler und dem Geschäftsführer von ESWE Verkehr, Hermann Zemlin: Die Sperrmüll-Installation steht an der Bus-Haltestelle zum Teil auf dem Blindenleitstreifen. Der Künstler war nicht bereit, sie um 20 Zentimeter zu versetzen. Um die Sicherheit zu gewährleisten, nutzt ESWE jetzt nur noch einen Teil der Haltestelle. (mel)
Dieser Artikel ist zuerst im Wiesbadener Kurier und Wiesbadener Tagblatt erschienen.