Die Umgestaltung des Elsässer Platzes gleicht einer unendlichen Geschichte. Die ersten Ideen, die letzte größere Freifläche im dicht besiedelten Westend aufzuwerten und nicht als reinen Pkw-Abstellplatz zu nutzen, stammen aus den 70er Jahren. Seit 2015 lässt die Stadt Wiesbaden in Kooperation mit dem Frankfurter Planungsbüro BSplus ein städtebauliches Entwicklungskonzept für den Platz erstellen. Der größte Wunsch ist, auf der Oberfläche eine Grünanlage mit Freizeiteinrichtungen zu erstellen und eine Tiefgarage zu bauen, um die Parkplatznot im Viertel nicht weiter zu verschärfen. Wir haben mit Westendler Maximilian Birk gesprochen, der für seine Masterarbeit an der Hochschule Rhein-Main, Studiengang Umweltmanagement und Stadtplanung in Ballungsräumen, die Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit einer Quartiersgarage auf dem Platz analysiert hat.

Nach dem Ende des Frühlingsfestes, das derzeit auf dem Elsässer Platz gefeiert wird, dient der Elsässer Platz wieder als großer Parkplatz. Die Umgestaltung des Areals ist schon seit Jahren angedacht. Foto: Erdal Aslan
Herr Birk, lassen Sie uns mit dem Ergebnis Ihrer Arbeit beginnen. Für wie realistisch halten Sie den Bau einer Tiefgarage?
Aus wirtschaftlicher Sicht ist der Bau einer Tiefgarage, die komplett oder zum Teil von einem Privatinvestor gebaut und betrieben werden soll, schlicht unrealistisch.
Warum?
Wenn man zum Beispiel alles, also Grundstückserwerb, Bau und Betrieb, einem privatwirtschaftlichen Investor überlassen würde, ergibt sich nach meinen Berechnungen ein monatlicher Preis von rund 530 Euro für einen Stellplatz. Und das wird kein Pkw-Nutzer zahlen wollen.
Wie sieht es aus, wenn die Stadt einen Teil der Tiefgarage subventioniert?
Dieses Modell wurde zum Beispiel in Düsseldorf angewandt. In diesem Fall müsste man für einen Stellplatz mindestens 120 Euro verlangen, damit ein Investor die marktüblichen acht Prozent Rendite pro Jahr erzielen kann.
Das hört sich jetzt nicht unbedingt unrealistisch an.
Aber die Umfragen der Stadt im äußeren Westend aus dem Jahr 2015 zeigen, dass potenzielle Nutzer nur 50 Euro monatlich zu zahlen bereit wären. Auch wenn die meisten wohl erwas mehr zahlen würden, als sie in Umfragen angeben.Abgesehen davon: Dieses subventionierte Modell hatte die Stadt schon im Jahr 2006 vor. Auch nach europaweiter Ausschreibung hat sich kein einziger Bieter gefunden. Damals hatte die Stadt angedacht, eine Tiefgarage für 800 Stellplätze mit sieben Millionen Euro zu bezuschussen.
Wie viele Parkplätze werden denn auf dem Elsässer Platz gebraucht?
In meiner Thesis habe ich einen Bedarf von 385 Garagenstellpätzen ausgerechnet. Auf diese Zahl komme ich, nachdem ich frühere Zählungen von Gutachtern auf dem Platz sowie eigene Stichproben miteinkalkuliert habe. Hier sind schon 20 Prozent der von der Stadt befragten Pkw-Nutzer abgezogen, die nicht bereit sind, einen festen Stellplatz zu mieten.
Was ist die Alternative für die Stadt, wenn ein Privatinvestor nicht für eine Tiefgarage zu gewinnen ist?
Da gibt es verschiedene, schon realisierte Modelle, etwa das aus München, wo Bau und Betrieb gänzlich von der Stadt finanziert werden. Ohne Gewinnerwartung, das ist die Bedingung. Die Mietgebühren müssten in diesem Beispiel „nur“ die laufenden Kosten decken. Die Stellplätze in einer Tiefgarage könnten dann 100 Euro kosten. Bei einem oberirdischen Parkhaus könnte der Mietpreis bei 78 Euro liegen. Das wäre auch für Wiesbaden eine gute Lösung – vorausgesetzt die Stadt ist bereit ist, so viel Geld in die Hand zu nehmen.
Wie kommt der Kostenunterschied zwischen einer Tiefgarage und einem oberirdischen Parkhaus zustande?
Allein die Baukosten unterscheiden sich erheblich: Der Bau einer Tiefgarage würde nach meinen Berechnungen rund 10,3 Millionen Euro kosten, ein Parkhaus dagegen 5,1 Millionen. Bei einer Tiefgarage kommen Kosten wie umfangreiche Leitungsverlegungen, besondere Auflagen zum Brandschutz, Entlüftung und andere Faktoren hinzu.
Bei einem oberirdischen Parkhaus würde aber nicht mehr Lebensraum entstehen. Zudem liegt der Elsässer Platz in einer bedeutenden Luftleitbahn für die Kaltluft- und Durchlüftungsversorgung der Innenstadt.
Eine mehrgeschossige Bebauung kann daher natürlich nur unter bestimmten klimafunktionellen Auflagen entstehen. Aber architektonisch gesehen gibt es durchaus Möglichkeiten, wie das Beispiel „Zoo“ in Leipzig zeigt. Und wenn man von einer Fläche von 2900 Quadratmeter für das Parkhaus ausgeht, könnte man immer noch Zweidrittel des Platzes anderweitig gestalten.

Maximilian Birk hat für seine Masterarbeit einen Förderpreis erhalten. Foto: List-Group
Sie befürworten also ein oberirdisches Parkhaus?
Es wäre eine Möglichkeit, wenn man Kosten sparen will. Aber egal, ob Tiefgarage oder Parkhaus: Wenn die umliegenden Parkplätze mit dem Anwohnerparkausweis nur 23,50 Euro für zwei Jahre kosten, werden nur wenige bereit sein, 100 Euro für einen Stellplatz in einer Garage zu zahlen. Dann hätte man im schlimmsten Fall eine halbleere Garage und noch mehr Parkdruck in der Umgebung.
Sie meinen, man müsste den Preis für das Anwohnerparken erhöhen?
Ja. Bis jetzt zahlt man nur ein niedriges Verwaltungsgentgelt für die Nutzung wertvollen öffentlichen Raumes, der ja jedem Bürger gehört. In Amsterdam zahlt man zum Beispiel bis zu 550 Euro im Jahr. In der Stuttgarter Innenstadt 400 Euro und in der Darmstädter Innenstadt 120 Euro im Jahr.
Eine Preiserhöhung des Anwohnerparkens würden sich Politiker wohl kaum trauen.
Mir ist klar, dass das eine unpopuläre Entscheidung wäre. Alle Ideen für eine Umgestaltung des Platzes sind ja bisher daran gescheitert, weil man nicht wusste, wie man die wegfallenden Parkplätze kompensieren kann. Aber die Stadt muss ein gesamtheitliches Konzept erstellen und die Menschen von Anfang an mitnehmen. Da reicht ein Workshop mit Bürgern wie im vergangenen Jahr nicht, die Kommunikation ist bisher eher mangelhaft. Die Politik und die Gesellschaft müssen sich fragen: Wo wollen wir als Stadt hin? Was ist uns der öffentliche Lebensraum wert, wie soll er gestaltet sein?
(Weitere Infos zur Abschlussarbeit mit Details zu bestimmten Modellen finden Sie auf Seite 13 der PDF-Version von Mensch!Westend: http://bit.ly/2pqZpfw)
Zur Person:
Maximilian Birk ist Master-Absolvent der Hochschule Rhein-Main im Studiengang Umweltmanagement und Stadtplanung in Ballungsräumen. Für seine Abschlussarbeit hat er einen Förderpreis der List-Group – ein österreichischer Betreiber von Parkgaragen – erhalten. Der 28-Jährige ist zurzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Verkehr der TU Darmstadt. Er wohnt mit Partnerin und Kind im äußeren Westend.
Interview: Erdal Aslan
Fotos: E. Aslan, List-Group